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Prokrastination- Was hilft gegen Aufschieberitis

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Diese Woche war wirklich verflixt. Jeden Morgen habe ich mir meine ToDo-Liste geschrieben, einen Zeitplan gemacht, meine Woche geplant. Ratet mal, was ich am Ende geschafft habe. Richtig: nichts. Aber nicht, weil ich nicht genug Zeit gehabt hätte, oder ich so im Stress war, nein, weil ich meine Zeit mit irgendwelchen sinnlosen Dinge vertrödelt habe. Ich weiß jetzt, dass die Zugspitze um die 2900 Meter hoch ist, dass Paris Hilton nun auch verheiratet ist und dass Bushido Vater geworden ist. Diese Woche hat sie mich fies erwischt, die Aufschieberitis, auch Prokrastination genannt. Wer sich jetzt ertappt fühlt und denkt wir sind Schwestern und Brüder im Herzen, sollte jetzt die Ohren spitzen, denn ich habe mich gefragt: Warum tun wir das? Dinge aufschieben, obwohl wir Zeit dafür haben.

Triggerwarnung:

Wichtig ist mir noch eins: Mein Artikel handelt von gelegentlichem Aufschieben. Hinter Prokrastination kann auch ein ernsthafter Krankheitswert stecken, der behandlungsbedürftig ist.  Dieser Artikel soll keinen Besuch beim Arzt oder Therapeuten ersetzen und wenn Du merkst, dass Du professionelle Hilfe benötigst, bitte ich Dich, Dir diese zu suchen.

Was ist Prokrastination?

Wir starten jetzt erstmal mit einer Definition: Prokrastination stammt aus dem Lateinischen (crastinus = der morgige Tag, procrastinare = auf den morgigen Tag verschieben) und was ich an dieser Stelle beruhigend finde: Wenn schon die alten Römer dafür ein Wort hatten, sehen wir, das Problem ist schon etwas älter ist. Psychologen definieren Prokrastination als das Aufschieben einer Handlung, die für einen persönlich von Bedeutung ist und der aufschiebenden Person die negativen Konsequenzen bewusst sind. Das Aufschieben erfolgt ohne äußerlichen Zwang (z.B. zu wenig Zeit oder schlechtes Wetter) und löst ein ungutes Gefühl aus. Und genauso fühlt sich das an: Ich bin genervt, weil ich meine Aufgaben nicht erledigt habe, ich weiß, dass mir durch das Aufschieben nicht geholfen ist und hinterher ärgere ich mich über mich selbst. 

Warum schieben wir Dinge auf?

Jetzt kommen wir zu der Frage: Warum ist das so? Dieser Frage gehen viele Wissenschaftler nach und ich werde hier nur einen kleinen Einblick geben können. Ich fange erst einmal damit an: Der Mensch neigt dazu, negative Gefühle schnell regulieren zu wollen. Das heißt, wenn ich das Gefühl habe einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein oder mir diese einfach gar keinen Spaß macht, werde ich versuchen, diese durch Tätigkeiten zu ersetzten, die mir zumindest kurzfristig ein besseres Gefühl geben. Hier liegt das Problem: Prokrasination lässt uns nur im ersten Moment besser fühlen, langfristig gesehen ist es aber eher hinderlich, Dinge immer und immer wieder aufzuschieben.

Kommen wir jetzt noch zu einem weiteren Denkmuster unseres Gehirns: Es möchte lieber kurzfristig Gefühle regulieren und kann langfristige negative Folgen eher nicht einordnen. Deshalb ist es ihm auch egal, dass Du nächste Woche Stress bekommst, wenn Aufgaben nicht erledigt sind. Dein Gehirn möchte sich jetzt gut fühlen. Man kann diesen Teufelskreis nur mit Vernunft durchbrechen: „Ich erledige diese Aufgabe jetzt!“ Die Tendenz Dinge aufschieben zu wollen läuft hier über die emotionale Ebene und weniger über die Vernunft.

Prokrastination Aufschieberitis

Ich möchte euch das Ganze nochmal an einem Beispiel veranschaulichen: Wenn ich weiß, dass ich die Steuererklärung abgeben muss, löst das in mir ein Unbehagen aus. Entweder, weil ich mir immer unsicher bin, ob ich das alles richtig mache, oder ich Angst habe, ich muss danach Unmengen an Steuern nachzahlen. Warum auch immer, eine Steuererklärung zu machen löst im Großteil der Menschen nicht unbedingt Freude aus. Jetzt sitzt Du am Schreibtisch, machst Elster auf und Du denkst: „Oh meine Zimmerpflanze sieht trocken aus, die muss ich jetzt ganz schnell gießen, denn bis ich die Steuer fertig habe, ist sie endgültig eingegangen. Nach dem Gießen bemerkst Du noch diesen riesigen Wäscheberg im Schlafzimmer. Natürlich kann die Wäsche da nicht ewig liegen, also muss ich die jetzt noch eben schnell in die Waschmaschine stecken. Zwei Stunden später blitzt zwar die Wohnung, aber die Steuer ist nicht erledigt.

Weil wir uns ja aber gerne selbst beflunkern, denken wir: „Ich war super produktiv, denn ich habe ja wichtige Aufgaben erledigt und der Haushalt muss ja auch irgendwann gemacht werden.“ Wir haben uns Tätigkeiten gesucht, die wir schneller und einfacher lösen können. Wir fühlen uns gut, die Zeit nicht sinnlos verbracht zu haben. Aber es müssen nicht nur scheinbar schönere Aufgaben sein, denen wir nachgehen. Es kann auch durchaus vorkommen, dass wir drei Folgen unserer Lieblingsserie geschaut haben. Aber egal was es ist, wir haben das negative Gefühl kurzfristig abgemildert durch positive Gefühle und Tätigkeiten, denen wir Herr sind und die in unserer Komfortzone liegen, ersetzt.

Das Parkinsonsche Gesetz

Ein weiteres gedankliches Konzept, dass unsere Pläne meist nicht so funktionieren wie wir sie uns vornehmen, ist das Parkinsonsche Gesetz. Es besagt, dass man genauso lange für Aufgaben braucht, wie man Zeit dafür hat. Oder einfacher gesagt: Ich habe ein Motivationsproblem bis ich ein Zeitproblem habe. Um zur Steuererklärung zurück zu kommen. Aus meiner Erfahrung heraus weiß ich, dass mich das einen halben Vormittag kosten wird. Die Abgabe sollte bis zum Sonntag Abend erfolgen, ratet mal wann man höchst wahrscheinlich fertig ist? Richtig, am Sonntag Abend. 

Oder wenn Dir Dein Chef fünf Tage Zeit gibt für eine Aufgabe und Du weißt, Du benötigst nur zwei Tage dafür. Wie wird wohl Deine Arbeit aussehen? Wenn Du jetzt richtig krass Dein Leben im Griff hast, erledigst Du die Aufgabe in zwei Tagen und optimierst das Ganze bis zum Abgabetermin, Du wirst die Aufgabe aber höchst wahrscheinlich nicht vorher abgeben. Es kann aber auch sein, dass Du wie ich bist und fängst zwei Tage vor der Abgabe an und schiebst das Ganze vor Dir her, mit der Gefahr in Stress zu geraten, weil Du die Aufgabe unterschätzt hast oder Unvorhergesehenes eintritt. Egal wie Dein Herangehen ist, die wenigsten Menschen werden die Aufgabe vor der Deadline abgeben, gerade nicht bei ihrem Chef, denn der wird Dir das nächste Mal weniger Zeit geben, wenn er weiß, Du kannst das schneller ;).

Buchempfehlung Prokrastination

Für den Fall, dass Du Deiner Aufschieberitis entgegen wirken möchtest und/oder noch mehr wissen möchtest, empfehle ich Dir folgendes Buch: „Heute fange ich wirklich an!“  von Anna Höcker, Margarita Enberding und Fred Rist. Hier bekommst Du auch einen richtigen Fahrplan, um aktiv gegen Prokratination anzugehen.

In diesem Sinne Take ist easy

Eure Jenny

Quellen zum Weiterlesen:

 „Heute fange ich wirklich an!“ Anna Höcke et al. 2.Auflage Hogrefe Verlag

„Neurodidaktik-Grundlagen für eine Neuropsychologie des Lernens“ Ulrich Herman, 3. Auflage Beltz Verlag

Engberding, M., Höcker, A. & Rist, F. Prokrastination. Psychotherapeut 62, 417–421 (2017). https://doi-org.pxz.iubh.de:8443/10.1007/s00278-017-0219-3

Riediger, M. Prokrastination als Coaching-Anliegen. Organisationsberat Superv Coach 23, 381–390 (2016). https://doi-org.pxz.iubh.de:8443/10.1007/s11613-016-0479-8

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